Die Geschichte der Kartographie oder die Evolution der Landkarte

Die Geschichte der Kartographie oder die Evolution der Landkarte

Im Zeitalter von Google Maps und digitalen Kartendiensten scheinen die Landkarten älterer Epochen wie der Antike oder gar der Renaissance nur noch unförmige Relikte alter Zeiten zu sein. Doch es ist wirklich erstaunlich mit welchen Mitteln oder eher ohne welche Mittel damals Gebiete relativ genau auf Karten erfasst werden konnten, obwohl keinerlei Luftbilder zur Verfügung  standen.

Aber der Reihe nach. Schon im frühen Stadium der Menschheit gab es wahrscheinlich Karten. Diese sind heute nicht mehr erhalten, weil es sich eher um mündlich weitergegebene räumliche Informationen handelte, die bei Bedarf zum Beispiel in Sand dargestellt werden konnten. Die wohl älteste, erhaltene Landkarte, wurde in der Ukraine gefunden, ist etwa 15.000 Jahre alt und stellt einen Wohnplatz dar. Sie ist in Mammut-Elfenbein geschnitzt. Auch einige Höhlenmalereien, die bis zu 8.000 Jahre alt sind, stellen Karten dar. Sie sind natürlich nur als rudimentär oder skizzenhaft zu bezeichnen.

Abb. 1: Ebstorfer Weltkarte

In der Antike gewann die Kartographie an Bedeutung. Erste Berechnungen zum Erdbild wurden aufgestellt und Ortspositionen ähnlich zu den heutigen Koordinaten eingeführt. Mithilfe eines Koordinatensystems verortete Ptolemäus in seinem 150 n.Chr. veröffentlichten Atlas „Geographike Hyphegesis“ Ortsangaben der bekannten Welt teilweise auch aus älteren Quellen.

Die römischen Straßenkarten wie die Tabula Peutingeriana (um 50 n.Chr.) nutzten kein einheitliches Koordinatensystem und waren meist verzerrt dargestellt. Sie zeigten vor allem die Streckenlängen zwischen den Militärstationen des Römischen Reichs, ohne diese lagetreu darzustellen.

Abb. 2: Ausschnitt der Tabula Peutingeriana

Zudem zeigen diese Darstellungen, welchen Einfluss das Papyrus auf die Kartenerstellung hat. Es macht die Landkarten leicht zu transportieren.

Nach dem Niedergang der griechischen und römischen Hochkulturen bedeutete das Mittelalter einen großen Rückschritt für die Kartographie zumindest in Europa. Einzig die Mappae Mundi, eher religiös geprägte Darstellungen der Welt (mit Europa, Asien und Afrika) als Scheibe mit dem Mittelpunkt in Jerusalem wurden zwischen dem 8. und dem 15. Jahrhundert immer wieder angefertigt.

Abb. 3: Behaims Erdapfel

In der arabischen Welt wurde das Wissen der Antike bewahrt. Dieses Wissen (von Ptolemäus) gelangte erst ab dem 14. Jahrhundert wieder nach Europa und wurde erst mit der sich entwickelnden Seefahrerei immer wichtiger. Seine Karten wurden von Kartographen ergänzt und es entstand im Jahre 1492 der erste Globus, noch ohne die zu entdeckenden Kontinente Amerika und Australien.

Abb. 4: Gerardus Mercators Weltkarte von 1569

Ab dem 16. Jahrhundert entwickelt sich die Kartographie immer weiter und kann auf Basis immer neuer Entdeckungen immer mehr weiße Flecken von der Landkarte tilgen. Reiseberichte werden in Karten umgesetzt, so zum Beispiel der Bericht des Forschers Amerigo Vespuccis, der die Grundlage für die erste Darstellung Amerikas liefert und ihn zum Namenspaten des neuen Kontinents macht.

Die maßgebende Weltkarte dieser Zeit, die auch heute noch in einer Hinsicht die Kartographie prägt, ist die Karte Nova et aucta orbis terræ descriptio ad usum navigantium emendate accomodata von Gerhard Mercator, einem deutsch-niederländischen Gelehrten, die als erste Weltkarte winkeltreu ist. Seine Weltkarte ist heute kaum noch bekannt, doch seine Kartenprojektion ist auch heute noch in vielen Abbildungen zu finden.

Abb. 5: Europakarte von Abraham Ortelius von 1570

In der Folge entstanden auf Basis des immer weiter wachsenden geographischen Wissens die ersten umfassenden Atlanten. Der erste Erdatlas wurde von Abraham Ortelius unter dem Namen „Theatrum Orbis Terrarum“ 1570 herausgegeben und war nicht nur ein geographischer Meilenstein, sondern auch ein kommerzieller Erfolg. Durch neue Druckverfahren mit Kupferplatten baute sich in der Folge vor allem in den Niederlanden eine Industrie von Kartographen auf. Die Kupferplatten wurden über Jahrzehnte für verschiedene Atlanten benutzt wie zum Beispiel für den Atlas Maior des Kartographen Joan Blaeu von 1662. Viele Landkarten aus unserem Sortiment stammen aus diesen Atlanten.

In dieser Zeit entstanden auch die ersten Stadtansichten und Stadtpläne. Zu diesem Thema werden wir aber noch einen gesonderten Blogeintrag schreiben.

Im 18. Jahrhundert wurde die Kartographie immer mehr zum Gewerbe und die deutschen und französischen Kartographen wie Homann und Seutter übernahmen den Markt von den Niederländern, die mit ihren alten Platten nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Aber auch die Deutschen und Franzosen verfielen nach und nach dem gleichen Phänomen.

Abb. 6: Karte der Wetterau von Seutter um 1750

Ab der Mitte des 18. Jahrhundert wurden immer mehr Kartographen von Staaten angeworben, um Länder flächendeckend für militärische Zwecke zu vermessen und zu kartieren, da die privaten Atlaskarten mit ihrer geringen Genauigkeit dem Anspruch nicht mehr genügten. Mit der großen Triangulation in Frankreich von 1750 bis 1793 begann eine neue Epoche, die vor allem staatlich geprägt war. Genaue Landesaufnahmen prägen seither die Kartographie und führten dazu, dass bis heute die Vermessung im Fokus der Kartographie steht und Genauigkeit das höchste Ziel ist.

<Bild der großen Triangulation>

Im 19. Jahrhundert (Dem Jahrhundert der Landesaufnahmen) entstanden in vielen Nationen Landesaufnahmen (Preußische Neuaufnahmen, Josephinische Landesaufnahmen, usw.), wobei diese meist nach und nach immer weiter verfeinert wurden. Zur  Vervielfältigung wurde zu Beginn meist der Kupferstich verwendet, ab Mitte des 19. Jahrhundert wurde jedoch immer mehr auf die 1798 erfundene Lithographie zurückgegriffen, um Karten auch mehrfarbig gestalten zu können. Die Atlaskartographie wurde von deutschen Verlagen dominiert und allerhand Allgemeine, Hand-, und  Schulatlanten machten Kartographie für jedermann erschwinglich und wurden auch Teil der regulären Schulbildung. Die Welt rückte so immer weiter in den Mittelpunkt der menschlichen Betrachtung.

Das maßgebliche, kartographische Thema des 19. Jahrhunderts war die Geländedarstellung. Neben der Höhenlinie, wurde auch die Schummerung, gerade bei der Gebirgsdarstellung im Alpenraum eingesetzt.

Abb. 7: Landkarte der Antarktis aus einem Atlas von 1885

Erst im 20. Jahrhundert schaffte es die Kartographie an die Hochschulen und Universitäten. Das erste Kartographische Institut wurde 1925 an der Eidgenössischen Hochschule für Technik in Zürich eingerichtet. Gerade in den Weltkriegen wurden viele Karten benötigt, wodurch neue Techniken der Vervielfältigung entwickelt und später auch privatwirtschaftlich genutzt wurden. Ab den 1920er Jahren wurden zusätzlich Luftbilder für die Kartographie genutzt und die Photogrammmetrie war geboren.

Ab den 1960er Jahren erfolgte eine schrittweise Digitalisierung und damit auch Technologisierung der Kartographie. Waren bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts meist einzelne Spezialisten damit befasst, fanden kartographische Anwendungen in den letzten Jahren immer mehr den Weg in den Mainstream. Online-Anwendungen wie Google Maps verbinden heute nicht nur den Globus mit Landkarten oder Landkarten mit Satellitenbildern, sondern zeigen uns auch Informationen und Routen zu Orten, sowie 3D-Modelle dieser Orte. Wir werden sehen wohin der Weg in Zeiten der virtuellen Realität und fortlaufender Automatisierung führen wird.

Trotzdem bleiben die alten Landkarten interessante Zeitzeugen der Weltgeschichte. Finde jetzt die passende Karte für Dein Zuhause!

 

 

1 Kommentar

Fantastic history of maps! Congratulations

I think we have the same fascination and similar online business objectives. My site:

www.australiaonthemap.com.au

Cheers
David

David Kerbey

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